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Beobachtungen über den Ackerbau der Pfälzer um 1800 von Johann Nepomuk (von) Schwerz


Autor: Hartmut Geißler
nach: Beobachtungen über den Ackerbau der Pfälzer. Von Johann Nepomuk (von) Schwerz, Berlin 1816, S. 90-92, zitiert aus Gerda Bernhard, S. 90-93.


Gerda Bernhard leitete ein:

"Ich glaube daher, im Interesse der rheinhessischen Bauernschaft zu handeln, wenn ich die ebenso anschauliche wie aufschlußreiche Schilderung der Zustände in der rheinhessischen Landwirtschaft um etwa 1800, die Schwerz auf seiner Erkundungsfahrt antraf, im Wortlaut wiedergebe. Er schreibt über seinen Besuch am 21. August 1814 in Wintersheim (Kreis Oppenheim):"

Zitat aus Schwerz:

„Noch vor 10-12 Jahren, sagten sie [die Einwohner von Wintersheim] mir, waren Unkraut, und hauptsächlich Disteln im Sommer das einzige Futter, wobei sich die Pferde zu freuen hatten. Vorausgesetzt, daß es sich bei einer solchen Kost freuen läßt. Das Rindvieh war in noch erbärmlicherem Zustande. Die Ochsen fielen im Frühjahre vor dem Pflug nieder, die Kühe waren behext und gaben keine Milch. Pharaos magere Kühe waren Mastvieh im Vergleich mit denen von Wintersheim. Auf 100 Morgen Ackerland wurden drei Kuhgerippe gehalten und im Sommer mit Unkraut, im Winter mit Haferstroh und etwas Runkeln am Lehen erhalten. Kein Vieh wurde nachgezogen, weil man kein Futter dafür hatte. Die Israeliten spielten also ihre Rolle in dem Viehhandel; gaben das Vieh mitunter auf Borg, und der Bauer wußte zu was für Prozenten. Zog auch Einer einmal ein Kalb auf, so war es mit anderthalb Jahren 7-8 Gulden werth.

Wie der Viehstand, so der Feldbau! Seit Menschenaltern hatte das Feld keinen Dung erhalten, einige nahe bei dem Dorfe gelegene Stücke ausgenommen, die man alle 8:-10 Jahre, mit etwas Dung übersprengte. 15 Garben und wenn es hoch kam 25, war der Ertrag von 160 Nürnberger Quadrattruthen (d. h. 1 Morgen). Das Feld war in zwei Fluren getheilt, die der Weg von Gundersblum nach Wintersheim scheidete. Die eine davon lag brach, wenn die andere Frucht trug.

Der Fruchtwechsel war:

1) Brache,
2) Spelz,
3) Brache,
4) Hafer,
5) Brache,
6) Rocken.

Dadurch ersparte man das Dungausfahren, und wurde in der Feldbestellung nicht irre. Nur auf wenigen Äckern, die den Haushahn krähen hörten, und daher, wie gesagt, manchmal ein wenig Dung zu sehen krigten, da säete man etwas Klee, Raps und Runkeln.

Wenn man den damaligen Zustand von diesem Dorfe, mit dem nebenbeschriebenen zusammenhält, und dabei bedenkt, daß 10 Jahre hinreichten, um diese große Veränderung hervorzubringen, so kann man nicht anders als darüber erstaunen. Die Fesseln der Zweifluren sind gebrochen. Jeder baut, wo und was und wie es ihm beliebt. Statt 15 bis 25, werden jetzt 150 bis 200 Garben aufgebunden. Wo auf hundert Morgen drei Kuhgerippe standen, stehen jetzt 6 bis 7 wohlgenährte Kühe, ohne die Zuzucht, und statt diese von der Judengenossenschaft auf Borg zu nehmen, hat man ihrer an sie zu verkaufen. Die Ochsen beugen nicht mehr die Knie vor dem Pfluge. Die Kühe geben Milch, und man schneidet ihnen nicht mehr die Schwänze auf. Die Luzerne, der Esper und der Gips haben den Zauber gelöset.

Der Mann, welcher die Winterheimer mit diesem Talisman bekannt machte, ist Christian Dettweiler, ein Mennonit von Kendenheim, der sich vor ungefähr dreizehn Jahren hier niederließ. Er brachte seinen Esper- und Luzernesamen mit. „Ja!“ hieß es, „der glaubt uns etwas zu lehren; allein, wenn ewiger und türkischer Klee bei uns wachsen wollten, so hätten wir auf ihn nicht gewartet. Unsere Väter verstanden das Handwerk auch! Und wo soll er dann Getreide hinsäen, wenn er alles mit Klee und Kraut übersäen will? Er wird sich schon bekehren, sobald er seine Felder einmal wird zugrunde gerichtet haben, und diese kaum Disteln mehr vorbringen werden.“

Man sollte nicht glauben, daß man noch vor zehn Jahren in irgendeinem Theile der Pfalz eine solche Sprache führen konnte. Allein, ich schreibe keinen Roman, und wage es nicht, selbst aus guter Absicht, eine Lüge zu sagen. Ich benenne den Ort und die Menschen. – Dettweiler schwieg und säete fort, und was er säete wuchs. Die Prophezeiung schlug fehl; die Felder verbesserten sich, statt schlechter zu werden. Futter, Stroh, Dünger, folglich auch Getreide kamen im Überfluß. - Nun öffneten sich die Augen der Blinden, und die Lahmen fingen an zu gehen. „Das hätten wir nicht gedacht!“ hieß es nun, und nun veränderte sich auch die Gestalt der Erde. Ich fand hier zweijährige Luzerne, wovon der dritte Schnitt, ungeachtet der großen Trockenheit über zwei Fuß hoch war und rein und vortrefflich stand. Sie gehörte Dettweiler an. Es ist wahr, er hatte sie unter wohlgedüngten Raps gesäet; allein, um solche Luzerne zu haben, verdiente sie selbst in porzellanene Töpfe gesäet zu werden. Der Gips tut hier die vorzüglichste Wirkung. Seine Einführung in der Pfalz ist das Werk von Dettweilers Vater, der ihn im Jahre 1772 in einem Sacke von Weißenburg nach Kendenheim brachte. Er machte sogleich einen Versuch damit; säete ihn aber am Mittage selbst aus, während seine Nachbaren zu Tische saßen, um allem Gespötte vorzukommen. Die Wirkung des Gipses war außerordentlich, und fiel jedermann auf. Er konnte nun schon, ohne ausgelacht zu werden, sein Geheimnis verrathen, aber lange bekämpfte noch bei einigen der Geist des Widerspruchs den Fortschritt des Guten ... Der Fruchtumlauf, den man jetzt zu Wintersheim angenommen hat, ist folgender:

1) Brache, gedüngt. Man rechnet ein vierspänniges Fuder auf jede zehn Ruthen.
2) Raps;
3) Rocken;
4) Gerste. Dazu wird die Rockenstoppel vor Winter zweimal umgepflügt, und die Gerste im Frühjahre ohne weiteres Vorpflügen gesäet.
5) Hafer. Manchmal auch weggelassen.
6), 7), 8) Esparsette. Wird sie ohne Beimischung mit Klee gesäet, so nimmt man drei Firnsel Samen auf 100 Ruthen. Fügt man aber anderthalb Pfund Kleesamen dazu, so braucht man ein halbes Firnsel Esparsette weniger.
9) Weizen;
10) Kartoffeln;
11) Gerste oder Hafer;
12) Brache;
13) Weizen.“

Schwerz fährt mit eigener Schilderung fort:

„Daß 1824 die Zweifelderwirtschaft noch in Resten in der Ingelheimer Umgebung vorhanden war, beweist die Statistik Jeromes über die Bodennutzung in Rheinhessen... Ob damals das ganze als Brachfeld bezeichnete Gelände als Schwarzbrache liegen blieb, muß bezweifelt werden. Ein Teil dürfte wohl schon mit Hackfrüchten bebaut gewesen sein.

Die Bauern des Ingelheimer Grundes übernahmen die Neuerungen sehr rasch, denn in der Topographie des Oberamtes Oppenheim von 1791 von Wundt wird rühmend hervorgehoben, daß Stallfütterung, Klee- und Kartoffelanbau schon sehr weit verbreitet seien. In der Gemarkung Stadecken war damals schon keine Schafweide mehr vorhanden. Der Viehstand hatte sich so vermehrt, daß größere Mengen von Butter und Käse auf dem Wochenmarkt in Mainz verkauft werden konnten.

Auch der Obstbau hatte Fortschritte gemacht. Von Wackernheim wird berichtet, daß es Kirschen in solcher Menge und Güte hervorbringe, daß sie bis nach Holland versandt wurden. Der kurpfälzischen Regierung muß man es als Verdienst anrechnen, daß sie durch ihre fördernden Maßnahmen zu diesen Verbesserungen anregte. So gehen auch die ersten Drainagearbeiten im Selztal bei Stadecken und der Bau des Rheindammes bei Frei-Weinheim in die letzten Jahrzehnte der pfälzischen Herrschaft zurück.

Eine wirkliche allgemeine Modernisierung konnte indessen erst erfolgen, als die Gesellschaftsordnung des ancien régime aufgehoben wurde... Unter der französischen Herrschaft setzte ein weiterer wirtschaftlicher Aufschwung infolge von Gesetzesänderungen ein. Zehnten, Fronden und Grundzinsen wurden ohne Ablösung abgeschafft, Kirche und Adlige enteignet, ihr Besitz als Nationalgut erklärt und meistbietend versteigert. Für geringes Geld konnte man Land als Eigentum erstehen.

Da die Bauern aber in den Bestand der neuen Ordnung wenig Vertrauen hatten, so geriet zunächst das versteigerte Land zum großen Teil in die Hände von Spekulanten, die es später mit erheblichem Gewinn wieder an die Bauern verkauften. In napoleonischer Zeit konnten jedoch recht hohe Bodenpreise bezahlt werden, da die Bauern große Einnahmen hatten. Die Lebensmittelversorgung für das Heer verschaffte den Landwirten guten Absatz für ihre Erzeugnisse. Die Kleinstaaterei war verschwunden; die Eingliederung in ein großes Wirtschaftsgebiet belebte den Verkehr. Die für den städtischen Handel äußerst schädliche Kontinentalsperre brachte den Bauern dagegen mehr Vorteile als Nachteile. Als Ersatz für den westindischen Rohrzucker propagierte die Regierung eifrig die Herstellung des Rübenzuckers. So wurde eine staatliche Zuckerfabrik in der Propstei bei Schwabenheim eingerichtet. Für den Anbau von Rüben wurde von der Departementsregierung eifrig geworben; den Landwirten wurden Absatz und hohe Preise auf Jahre hinaus garantiert...“


Biografisches zu Johann Nepomuk (von) Schwerz (aus wikipedia, 24.03.09):

"Johann Nepomuk Hubert von Schwerz (* 11. Juni 1759 in Koblenz; † 11. Dezember 1844 in Koblenz) war ein deutscher Agrarwissenschaftler. Im Auftrag des Königs von Württemberg gründete er 1818 eine staatliche landwirtschaftliche Lehranstalt in Hohenheim (heute Universität Hohenheim). Schwerz gilt als der Hauptvertreter der empirisch-rationellen Schule der Landwirtschaftslehre."

Ursprünglich Hauslehrer in Belgien, wurde er von der Witwe des Grafen von Renesse zum Verwalter seiner Güter gemacht und machte sich deshalb durch Literatur, Reisen und eigene Versuche immer besser mit einer wissenschaftlichen Landwirtschaft vertraut. In seinen Publikationen beschrieb er u. a. die zeitgenössische Landwirtschaft im Elsass, in der Rheinpfalz, in Westfalen und in Rheinpreußen. 1816 trat er in preußische Dienste und befasste sich als Regierungsrat weiter mit landwirtschaftlichen Problemen. 1818 folgte er dem Ruf des Königs von Württemberg, als Leiter die neue Landwirtschaftsschule in Hohenheim bei Stuttgart zu übernehmen, aus der sich 1847 eine landwirtschaftliche Akademie entwickelte und 1967 die Universität Hohenheim.

Für seine Verdienste wurde er 1821 persönlich geadelt.

Sein Hauptwerk war ein dreibändiges Lehrbuch Anleitung zum practischen Ackerbau, das 1823, 1825 und 1828 in drei Teilbänden erschienen ist. Sein Grab in Koblenz wird von der Stadt als Ehrengrab gepflegt.

Man merkt dem Stil des obigen Zitates seinen aufklärerischen Missionseifer für landwirtschaftliche Verbesserungen an.


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Gs, erstmals: 24.03.09; Stand: 02.12.20