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Sechs Urkunden Wilhelms aus dem Lager in Ingelheim 1249

 

Autor: Hartmut Geißler

aus den Urkunden in den MGH DD HRas/DD Wilh 1,  Nr. 78-83, S. 113 ff

 

Aus dem Ingelheimer Lager sind insgesamt sechs hochrangige Urkunden Wilhelms überliefert, darunter immerhin fünf Originale und eine notariell beglaubigte Abschrift aus dem geheimen Archiv des Vatikans. Wilhelms Aufenthalt ist also gut dokumentiert.

Verwirrend ist nur, dass davor eine Urkunde aus Andernach vom 16. Januar (Nr. 76) und eine aus Mainz vom 4. Februar (Nr. 77) eingereiht sind und dass erst danach, ab dem 19. Februar, die sechs Urkunden aus Ingelheim (Nr. 78 - 83) folgen. Bedeutet dies, dass Wilhelm mit seiner Truppe im Januar zuerst am Ingelheim Saal vorbei nach Mainz geritten ist und danach wieder zurück nach Ingelheim, um doch noch diese Burg zu übernehmen? Oder hatte er seine Truppe schon Ende Januar/Anfang Februar zur Belagerung in Ingelheim zurückgelassen und war nur persönlich anfangs in Mainz? Oder sind auch Urkunden ohne seine Gegenwart ausgegeben worden?

Vielleicht aber liegt hier nur eine redaktionelle Ungenauigkeit vor, bei der eine Urkunde schon früher mit einem anderen Datum geschrieben war, dass also ihr chronologisches Nacheinander auch hier nicht den wirklichen Reiseablauf des Königs abbildet.
 

1. Urkunde Nr. 78 vom 19. Februar 1249 (Notariell beglaubigte Abschrift aus dem Original ... im Archivio Segreto Vaticano):

Wilhelm leistet Papst Innozenz IV den Eid des deutschen Königs für die römische Kirche.

In ihrem Eschatokoll (Schlussformel mit Zeit und Ort) heißt es:

Dat. in castris apud Engelheim, anno domini millesimo CC° quadragesimo nono, XI kaln. marcii, indictione septima, anno primo. (Gegeben im Lager bei Ingelheim, im Jahre des Herrn 1249, am 19. Februar, in der siebten Indiktion, im ersten (Regierungs-)Jahr.)

 

2. Urkunde Nr. 79 (Original) vom 19. Februar 1249:

Ingelheim, im Lager. Wilhelm bestätigt den Bischof von Sitten im Besitz all dessen, was dieser dem staufischen Anhang Friedrichs II. in der Diözese Lausanne entrissen hat, sofern es nicht zu den Temporalien der Lausanner Kirche gehört… …

In ihrem Eschatokoll heißt es:

Dat. in castris apud Engelheim, anno domini MoCCoXLo nono, undecimo kl. marcii, indictione VII, regni nostri anno primo. Signum domini Willelmi Romanorum regis invictissimi. (Gegeben im Lager bei Ingelheim, im Jahr des Herrn 1249, am 19. Februar, in der siebten Indiktion, im ersten Jahr unserer Regierung. Zeichen des Herrn Wilhelm, des unbesiegtesten Königs der Römer)

 

3. Urkunde Nr. 80 (Original) vom 25. Februar 1249:

Wilhelm belehnt den Wildgrafen Emicho d. Jüngeren und dessen Erben mit den Reichslehen des Grafen Heinrich von Werda für den Fall, daß der Sohn dieses Grafen ohne Nachkommen stirbt.

In ihrem Eschatokoll heiß es:

Datum in castris apud Ingelnheim, anno domini millesimo CCmoXLVIIIIno, quinto kalend. martii, indictione sexta. Gegeben im Lager bei Ingelheim, im Jahr des Herrn 1249, am 25. Februar, in der sechsten Indiktion.

 

4. Urkunde Nr. 81 (Original) vom 1. März 1249:

Wilhelm belehnt den Burggrafen Friedrich von Nürnberg mit allen Reichslehen des verstorbenen Herzogs von Meranien.

In ihrem Eschatokoll heißt es:

Dat. in castris aput Ingelnh(eim), kal. martii, indictione VIa, anno domini MoCCoXLoIXo, anno regni nostri primo. Gegeben im Lager bei Ingelheim, am 1. März, in der sechsten Indiktion, im Jahre des Herrn 1249, im ersten Jahr unserer Regierung.

 

5. Urkunde Nr. 82 (Original) vom 6. März 1249:

Wilhelm bestätigt Dekan und Kapitel von Aachen das Statut, daß die Einkünfte jeder erledigten Präbende (Stiftungen) vier Jahre hindurch zum Wiederaufbau der durch Brand geschädigten Kirche und Stiftsgebäude verwendet werden sollen.

In ihrem Easchatokoll heißt es:

Datum in castris apud Iglenheim, anno incarnationis dominice millesimo ducentesimo quadragesimo octavo, pridie nonas martii, septima indictione. Gegeben im Lager bei Ingelheim, im Jahr 1248 nach der Fleischwerdung des Herrn, am 6. März, in der siebten Indiktion.

Gemeint war nach der Ansicht des Herausgebers das Jahr 1249.

 

6. Urkunde Nr. 83 (Original) vom 13. März 1249:

Wilhelm verspricht dem Grafen Diether von Katzenelnbogen für gegenwärtige und künftige Hilfe 700 Mark, von denen er 300 Mark aus zu erwartenden päpstlichen Subsidiengeldern zahlen wird, während er ihm für die restlichen 400 Mark die Einnahmen aus genannten fünf Reichsdörfern anweist. Da der Text einen interessanten Einblick in die Finanzierung von Wilhelms Feldzug bietet, soll er im Folgenden ungekürzt zitiert werden:

Wilhelmus dei gratia Romanorum rex et semper augustus universis Roman(i) imperii fidelibus hanc litteram inspecturis gratiam suam et omne bonum. Ad notitiam universorum volumus pervenire, quod nos de providentia consilii nostri dilecto fideli nostro comiti Diethero de Katzen(elnbogen) pro eo, quod sacrosancte Romane ecclesie, nobis ac successoribus nostris servire debeat et assistere bona fide contra dominum F. quondam imperatorem et C. natum eius ac omnem hominem viventem, promisimus et promisisse tenore presentium profitemur septingentas marcas, de quibus trecentas ei de prima pecunia, quam a domino papa vel aliunde habebimus, deo dante, in integrum persolvemus, ac pro reliquis quadringentis marcis obligamus ei villas imperii et nostras Triburium, Gensse, Byblvt, Grumstat et Dornheim cum earum pertinendis eo pacto scilicet et condicto, ut, si quid defuerit in predictis de redditibus quadraginta marcarum, supplere plenarie teneamur. Si quid autem superest, aut restituet aut de celsitudinis nostre gratia obtinebit. In cuius rei testimonium presentes ei litteras indulsimus sigilli nostri munimine roboratas. Datum in castris apud Ingelnheim, III idus marcii, indictione VI.

Wilhelm, von Gottes Gnaden König der Römer und immer Augustus, sendet allen Getreuen des römischen Reiches, die diese Urkunde sehen werden, seine Gnade und alles Gute. Wir wollen, dass zur Kenntnis aller gelangt, dass wir aus der Fürsorge unseres Rates unserem geliebten Getreuen, dem Grafen Dieter von Katzenelnbogen, dafür, dass er der allerheiligsten Römischen Kirche, uns und unseren Nachfolgern dienen und guten Glaubens beistehen soll gegen den Herrn F(riedrich), einstmals Kaiser, und gegen C(onrad IV.), seinen Sohn, und gegen jeden noch lebenden Menschen, versprochen haben und verkünden, gemäß dieser Urkunde versprochen zu haben: 700 Mark, wovon wir ihm 300 vom ersten Geld, das wir vom Herrn Papst oder von anderswo her haben werden, mit Gottes Gabe, ungeschmälert zahlen werden, und für die restlichen 400 Mark verpfänden wir ihm unsere Reichsdörfer Trebur, Gensse (?), Biblis (?), Crumstadt und Dornheim mit ihrem Zubehör, und zwar mit der Vereinbarung und Übereinkunft, dass wir gehalten sind, die Summe vollständig zu erstatten, falls etwas in den vorgenannten Orten an den Einkünften von 400 Mark fehlen sollte. Wenn hingegen etwas übrig ist, dann wird er es entweder zurückzahlen oder mit der Gande unserer Hohheit behalten. Zum Beweis dessen haben wir ihm diese Urkunde überlassen, bekräftigt durch den Schutz unseres Siegels. Gegeben im Lager bei Ingelheim, am 13. März, in der sechsten Indiktion.

Wilhelm, dessen eigenes Vermögen nicht ausreichte, um genügend Militär gegen die Staufer-Partei aufzustellen, musste sich die Unterstützung durch Reichsfürsten erkaufen, einerseits mit den versprochenen Subsidien vom Papst, von denen man freilich nicht wusste, ob sie jemals eintreffen würden und in welcher Höhe, und andererseits mit der Verpfändung der Abgaben aus Reichsdörfern, diese hier zwischen Darmstadt und dem Rhein, darunter auch die Pfalz Trebur/Tribur. Dies zeigt den Weg in die spätere Geldbeschaffung der Könige, die durch Verpfändung von Reichsbesitz das nötige Geld geliehen bekamen, so auch die Einkünfte aus dem Königsgut Ingelheim, die an die Kurpfalz ein Jahrhundert später verpfändet wurden.

Diese Urkunden zeigen, dass man nicht die Gebäude des ehemaligen Palatiums, jetzt des Saales, brauchte, um als König in Ingelheim Urkunden ausstellen zu lassen. Es ging auch "im Lager", was immer das heißt.

Denn es ist doch sehr wahrscheinlich, dass der König mit seiner Dienerschaft auch in Gästehäusern des Königsgutes unterkommen konnte und nicht wochenlang im Winter aus einem Zelt heraus regieren musste. So ähnlich wird man sich auch das Ausstellen weitere Urkunden in den nächsten Jahrzehnten vorstellen müssen, wenn Könige gelegentlich beim Durchzug durch das Ingelheimer Reichsland die ein oder andere Urkunde ausgaben: Adolf von Nassau, der in Ingelheim übernachtet haben könnte, weil drei Urkunden am 25. und 26. Oktober 1292 hier ausgestellt worden sein sollen, und Albrecht I. von Österreich am 1. September 1298.

 

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Gs, erstmals: 05.04.18; Stand: 17.07.24