Autor: Hartmut Geißler
Quelle: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1821 S. 230-231
Gesetz über die Auswanderungen.
LUDEWIG von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bei Rhein etc. etc.
Die Verfassungs-Urkunde des Großherzogthums sichert in dem Art. 24. jedem Hessen das Recht der freien Auswanderung nach den Bestimmungen des Gesetzes. Wir verordnen daher mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände folgendes:
Art. 1. Jeder Inländer darf aus dem Großherzogthum auswandern, wenn Rücksicht auf Gläubiger und öffentlichen Dienst nicht im Wege stehet. Jedoch muß der Auswandernde entweder selbstständig über seine persönlichen Verhältnisse verfügen können, oder die dazu erforderliche Einwilligung beibringen.
Art. 2. Der Auswandernde kann seine unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder nur mit besonderer Erlaubniß der Staats-Regierung zurücklassen.
Art. 3. Die Kinder des Auswandernden, welche mit ihm wegziehen, werden ebenfalls Fremde.
Art. 4. Wer auswandern will, hat seinen Vorsatz der Provinzial-Regierung anzuzeigen. Diese veranlaßt gerichtliche Aufforderung seiner allenfallsigen Gläubiger, ihre Forderungen innerhalb drei Monaten anzuzeigen.
Art. 5 Militär-Personen und Civil-Beamte müssen vor der Auswanderung, Dienstentlassung nach den darüber bestehenden Gesetzen erhalten, und wegen ihrer Amtsverwaltung, wenn diese dazu geeignet war, Rechenschaft abgelegt haben.
Art. 6. Wenn sich in dem anberaumten Termin kein Gläubiger gemeldet hat, oder wenn die Gläubiger befriedigt, oder falls sie nicht alsbaldige Befriedigung verlangen können, sicher gestellt sind, und der im Artikel 5. angeführte Anstand beseitigt ist, auch keine peinliche oder polizeiliche Untersuchung die Anwesenheit des Auswandernden erfordert, so ertheilt die Provinzial-Regierung die Auswanderungs-Erlaubniß, in so fern der Auswandernde nicht den Zweck hat, sich oder seinen Sohn der Kriegsdienstpflicht zu entziehen.
Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des beigedruckten Staats-Siegels.
Darmstadt am 30. May 1821.
(L. S.) LUDEWIG von Grolman.
Gs, erstmals: 04.01.20; Stand: 16.04.21