Autor und Fotos: Hartmut Geißler
Dieser bewohnte Spitzkegelturm bekam seinen Namen „die Schnecke" wie der "Schneckenturm" in der Starkenburg bei Heppenheim (und andere "Schneckentürme") vielleicht durch den Einbau einer Wendeltreppe, denn er wurde nach seinem Ausbau 1809 als "Schneckenthurm am Graben am Hammengasser Thor" im Gemeinde-Rechnungsbuch geführt (Rep. I/3813/69). Die heutigen Bewohner wissen allerdings nichts von einer Wendeltreppe.
Aus dem Jahr zuvor hat sich im Stadtarchiv (Rep. II/418) ein Gesuch eines Herrn Franz Rohleder erhalten, das vom Bürgermeister/ Maire Werner, dem Gemeinderat und dem französischen Präfekten Jeanbon St. André in Mainz genehmigt wurde. Danach durfte er sich den Turm als Wohnung für seine Familie ausbauen und für die ersten neun Jahre kostenfrei darin wohnen, danach mit einer geringen Miete an die Gemeinde.
Als Wehrturm kontrollierte er den Abschnitt der Ringmauer zwischen dem oberen Altegässer und dem ebenfalls niedergelegten Hammergässer Tor (siehe weiter unten). Er stand wie die meisten Ober-Ingelheimer Wehrmauertürme als Vorlageturm vor der Mauer im Graben, der unter den heutigen Häusern verlaufen sein muss. Die Wehrmauer darf man sich nicht links an der Stelle der derzeitigen Grundstücksmauer (siehe Foto unten) vorstellen, sondern mitten auf der Straße, denn der erhaltene Maueranschluss des Turmes ragt in die Straße hinein.
Die Lage der heutigen Häuser zeigt, dass die Mauer schon so früh niedergelegt und der Graben verfüllt worden sein müssen, sodass sich neue, quer darüber verlaufende Hausparzellen und die Straße ergeben konnten, wie auch der Parzellenplan von 1848 zeigt. Auf ihm ist an dieser Stelle kein Grabenverlauf und keine Mauer mehr eingezeichnet, wie generell in der Hammergässer Gegend.
Nicht viel weiter nach Norden kreuzt die Hammergasse den unteren Zwerchweg. Dort muss das "Hammengässer Tor" gestanden haben.
Die Gasse mit ihren Häusern wird von Krämer innerörtlich ausführlich beschrieben (S. 47-53). Ihre Ersterwähnung fand er in einer Urkunde von 1213 (!) als "Hemmingazzin" (also mit n). Auch in dem Ausbaugesuch von 1808 und den Folgeerwähnungen wird sie noch stets als "Hammengasse" bezeichnet. Das r ist anscheinend erst im Zuge der Verhochdeutschung im 19. Jahrhundert hineingeraten, ähnlich wie damals aus der jahrhundertealten "Uffhub" die "Aufhofstraße" gemacht wurde.
Auf diesem Weg, der in seiner Fortsetzung nach Westen damals "Schützenpfad" hieß (nicht identisch mit dem heutigen Schützenpfad!), konnte man Ober-Ingelheim in Richtung des Schießgeländes (s. "Schützenhaus"!), Griesmühle und Frei-Weinheim verlassen. Sie verlor aber später an Bedeutung gegenüber der Altegasse, sodass ihr Tor wohl relativ früh beseitigt wurde.
Auf beiden Katasterkarten von 1812 und 1848 ist keine Tor- oder Torhaus-Parzelle mehr zu erkennen. Im nördlichen Kreuzungsbereich standen 1848 auf beiden Seiten noch keine Häuser und auf der südlichen Seite vereinzelte Gehöfte, zwischen deren westlichen (außerörtlichen) der Zickzackweg durch die Felder begann, wie am Ochsenborn außerhalb, vor der Mauer. Das Tor muss nach dem Mauerverlauf am Westrand dieser ungleichmäßigen Kreuzung gestanden haben. Über das Aussehen der Pforte ist nichts bekannt. Um 1800 wurde ihr Name nur noch als Traditionsname zur Lokalisierung verwendet.
Die Wehrmauer zog sich von hier aus weiter ein Stück nach Norden an der Mühlstraße entlang, um gleich jenseits der Gärtnerstraße nach rechts hinauf zum Turm an der Bahnhofstraße abzubiegen (schöner Fußweg!). Am Beginn der Kurve nach oben stand früher ein weiterer Turm, bei Rauch eingezeichnet.
Zwischen diesem Turm und dem Hammergässer Tor ist früher das Flutwasser vom Mainzer Berg, das durch den Wehrgraben im Norden des Ortes herabschoss, in die Wiesen zur Selz hin geflossen, weil dort, wo heute die Straße "Vorm Hammergässer Tor" beginnt, eine leichte Senke liegt und das Gelände zur Hammergasse wieder leicht ansteigt. Darüber gab es auch einmal Streit mit dem Pächter des Gemeinde-Zuchtbullens.
Gs; erstmals: 20.10.20; Stand: 08.03.21